Heute ist Bundestagswahl. Sie findet statt, weil sich die Parteien der Ampelkoalition (SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, FDP) nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner für die Staatsausrichtung einigen konnten, nachdem sie über ein Jahr laviert hatten und zum Schluss der kleinste Koalitionspartner über Monate gezielt am Bruch der Koalition hingearbeitet hatte. Eine andere Mehrheit war nicht denkbar. Es ist eine grosse Errungenschaft, dass Wahlen frei sind. Und ich kann auch sagen, dass ich 1989 dafür gekämpft habe. Aber es ist auch ein Recht, nicht zur Wahl zu gehen. Die Entscheidung sollte aber wohlbegründet sein und nicht einfach aus einer Laune heraus geboren sein.
Meine Entscheidung liegt begründet in der Form der politischen Debatte und der Abgehobenheit der politischen Klasse, die zwischenzeitlich ein Ausmass erreicht hat, welches den Staat viel mehr zerstört als es die AfD ehemals hätte tun können.

Abgehobenheit der politischen Ebene
Wer heute in den Bundestag (oder in die Landtage) einmal hinein hört, der wird schnell denken: Über was reden die da eigentlich. Und die zweite Frage wird sein: Wie reden die miteinander?
Obwohl in der Ukraine und im Nahen Osten Kriege herrschen, die Bevölkerung von immer höheren Belastungen an Steuern und Abgaben betroffen ist und sich die wirtschaftliche Lage immer stärker eintrübt, sind die zentralen Themen für die Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode das Selbstbestimmungsgesetz oder ungeordnete Klimawirkungen. In vielen Fällen, wie dem Energie- und Verkehrsbereich wurden Bürger und Wirtschaft noch zusätzlich belastet und die im internationalen Vergleich bereits bestehenden Belastungen weiter erhöht. Mit der Abschaltung der letzten Atommeiler wurde die sichere Energieversorgung vollkommen von anderen Ländern abhängig und das Europäische Stromnetz teilweise sogar überlastet.
Obwohl gerade die FDP immer von nachhaltiger Finanzpolitik gesprochen hat, hatte sie bereits mit dem Eintritt in die Regierung den Kapitalfehler begangen und Kreditermächtigung, die noch für die Bewältigung unter Aussetzung der Schuldenbremse im Grundgesetz bewilligt waren, für den Klimafond umgewidmet. Selbst erfahrene Haushälter wie der Abgeordnete Otto Fricke behaupteten hier faktenwidrig, dass man keine neuen Schulden aufnimmt, sondern bestehende Schulden nur anders verwendet. Man hat die Bevölkerung hier schlicht für dumm verkauft.
Das Sozialsystem wird durch die Politik immer weiter aufgebauscht, ohne die Wirksamkeit der staatlichen Leistungen zu evaluieren und den Wildwuchs aufeinander abzustimmen. Mit der Kindergrundsicherung sollte eine weitere Sozialleistung eingeführt werden, die die Antrags- und Bearbeitungsprozesse für Bürger und Staat eher weiter verkompliziert hätte, ohne einen nennenswerten Vorteil zu erbringen.
Von aussen ist hier keine Einwirkung mehr möglich. Zwar wird das Petitionsrecht bis heute gross geschrieben. Praktische Auswirkungen hat es jedoch nur im Einzelfall, wenn überhaupt. Abgeordnete bleiben unter sich und treffen sich entweder bei den sogenannten „Parlamentarischen Abenden“ der Berliner Lobbywelt oder in privatem Umfeld. In zentralen Fragen, wie zuletzt die Migrationspolitik, können sich die Parteien nicht mehr einigen. Und die Staatsausgeben werden trotz eines Einnahmevolumens von einer Billionen EUR pro Jahr immer weiter ausgedehnt, ohne auch nur im Ansatz die Effizienz zu prüfen. Deutlich wird die Ausweitung in der Aufblähung des Staatsapparates, insbesondere den Berliner Ministerien und bei Ministern und Staatssekretären – eine Riege, die zwischenzeitlich mehr als 120 Personen umfasst.
Migrationspolitik: 20 Jahre ohne Konzept
Als 2001 die Süssmuth-Kommission ihren Bericht zur Neuordnung des Zuwanderungsrechts vorlegte, gab es auf der einen Seite viele Diskussionen und eine hohe Erwartung. Deutschland wurde erstmals als Zuwanderungsstaat definiert, der für seine eigene Entwicklung auf Zuwanderung angewiesen ist. Obwohl einige Änderungen im Ausländergesetz vorgenommen wurden, wurden jedoch die Erwartungen nicht im Ansatz erfüllt.
Bis heute streiten die Parteien darüber, ob Zuwanderung zugelassen wird und in welcher Form oder ob die Regulierung und auch die Zurückführung für nicht aufenthaltsberechtigte Personen den Menschenrechten widerspricht. Geht man in andere Länder, so wird man schnell merken: die Debatte ist nicht nur lachhaft, sondern trägt auch zu einer Geringschätzung des Landes bei. Nirgendwo würde die Debatte geführt, ob eine gesteuerte Zuwanderung zulässig ist oder nicht, da Zuwanderung generell eine Zuwanderung im Interesse des Landes ist und keine humanitäre Aufgabe. Hinzu kommt, dass das Recht in Deutschland schon lange nicht mehr durchgesetzt wird und eine Person, die einmal in Deutschland ist, auch grosse Chancen hat, dies dauerhaft zu bleiben – wenn sie will.
Als 2015 die sogenannte Flüchtlingskrise die Schwachpunkte offenlegte, hätte die Chance bestanden, eine Regelung umzusetzen. Einerseits wurde hier jedoch das Flüchtlings- und Zuwanderungsrecht in unzulässiger Weise vermengt. Andererseits blieb es jedoch bei Talkshow-Debatten, ohne dass daraus eine gesetzgeberische Aktivität erwachsen wäre.
Ein Beispiel für die fehlende Politikgestaltung in diesem Themenfeld ist die FDP. Bereits 2001 – der Unterzeichner war hier nicht unbeteiligt – wurde ein Programm entwickelt, in dem eine Zuwanderungsregelung auf klar definierten Grundsätzen gefordert wurde. In mehr als 20 Jahren wurde daraus keine Gesetzgebung. Die Abgeordneten, deren zentrale Aufgabe die Gesetzgebung darstellt und die hierfür auch über die Parlamentsverwaltung und durch externe Sachverständige jede erdenkliche Ressource zur Verfügung haben, haben sich dieser Aufgabe jedoch schlicht verweigert.
Versorgungsstaat anstatt Aktivierungstaat
Als Fürst Bismarck gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Sozialversicherungen einrichtete, war sein Ziel, soziale Notfälle abzufedern und beispielsweise Krankheit nicht zum Armutsrisiko werden zu lassen. Dies war über viele Jahrzehnte die zentrale Aufgabe des Staates und der Gesellschaft. Über zivile Initiativen sowie die Kirchen wurde caritative Verantwortung übernommen. Der wesentliche Ansatz war, dass der Bürger und die Bürgerin für sich verantwortlich sind, die Gesellschaft jedoch in der Not bereitsteht, zu unterstützen.
Diese Dreiteilung der Verantwortung hat sich zwischenzeitlich in ein Gegenteil verkehrt. In der Rentenversicherung werden zwischenzeitlich soviele versicherungsfremde Leistungen abgebildet, dass der Bund einen Zuschuss von nahezu 100 Milliarden EUR zahlen muss. Insgesamt gibt der Staat auf allen Ebenen nahezu 50 Prozent seines Haushaltes für soziale Aufgaben aus – zusätzlich zu den Sozialabgaben –, deren Zielgenauigkeit nicht mehr sichtbar ist, aber auch nicht gewollt wird zu sehen. Vielmehr werden immer neue Sozialleistungen aufgesetzt, die bestimmte Zielgruppen erreichen sollen, die Bürokratie verstärken und deren Zielgenauigkeit nie überprüft wird. Erfolgreich ist in diesem System nicht derjenige, der durch eigene Arbeit seinen Lebensunterhalten sichern will, sondern der sich darin versteht, staatliche Leistungen in breiter Form zu erlangen.
Das Bürgergeld hat diese Probleme nicht behoben, zumal das eingeführte Bürgergeld mit der eigentlichen Idee des Bürgergeldes – der negativen Einkommenssteuer –, wie sie die Friedrich-Naumann-Stiftung zur Jahrtausendwende entwickelt hat, nichts mehr zu tun hat. Es handelt sich faktisch um das bisherige Hartz IV unter neuem Namen ohne substanzielle Neuordnungen oder Anreizsysteme. Sanktionssysteme, mit dem Unwillige zur Arbeit letztlich gezwungen werden sollten, wurde weiter ausgehöhlt und faktisch abgeschafft. Mit der beabsichtigten Kindergrundsicherung soll eine weitere Sozialleistung mit einer eigenen Bürokratie geschaffen werden, anstatt die bestehenden Systeme zu nutzen.
Die Staatsbürokratie kann zwischenzeitlich nicht einmal sagen, welche Leistungen es überhaupt gibt. Im Rahmen einer Untersuchung hatte der Unterzeichner dies versucht. Aber auch mit allen Anstrengungen war lediglich eine Annäherung möglich. Damit kann aber auch niemand sagen, ob die Ziele der jeweiligen Leistungen überhaupt erreicht werden. Und obwohl diese Erkenntnis nicht besteht, besteht nicht Bereitschaft, sich die Erkenntnis zu verschaffen und den Sozialstaat dadurch nicht nur kostengünstiger, sondern auf effizienter und zielgenauer zu machen. Die Folge sind immer höhere Staatsausgaben, die mit immer neuen und höheren Abgaben finanziert werden sollen. Ein Irrweg, der am Ende das Gegenteil sozialer Gerechtigkeit bedeutet und den Staat selbst mit immer zerrütteteren Finanzen zurücklassen wird.
Staat als Selbstversorgungseinrichtung
Wenn das „Kanzlerduell“ vom 9. Januar 2025 etwas gezeigt hat, dann: Politik ist nicht mehr bereit, staatliche Aufgaben zu hinterfragen, sondern immer nur noch obendrauf zu packen – zu Lasten des Bürgers. Der Staat ist aber zwischenzeitlich zu einer Selbstversorgungseinrichtung der Politik geworden, was sich allein an den Parlamenten zeigt. Auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene tummeln sich mehr als 2.000 Vollzeitparlamentarier, auch nach der Verkleinerung des Bundestages. Wie bereits vor 20 Jahren die Parlamentsforschung zeigte, beschäftigen sich insbesondere auf Landesebene die Abgeordneten mehr mit sich selbst und den eigens produzierten Problemen, um die Diäten zu rechtfertigen. Aber auch auf Bundesebene ist ein Parlament auch mit 630 Abgeordneten nicht wirklich arbeitsfähig, den auch die Ausschüsse umfassen bis zu 40 Mitglieder. Die USA beispielsweise, ein dreimal so grosses Land, zeigen, dass auch weniger Abgeordnete ausreichen, um eine effektive Kontrolle der Regierung vorzunehmen.
Die überdimensionierten und überalimentierten Parlamente sind die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die aufgeblähte Ministerialbürokratie und der aufgeblähte Staatsapparat insgesamt. Die deutsche Politik regt sich sehr künstlich über die durch Donald Trump initiierte und durch Elon Musk exekutierte Durchforstung des U.S.-Haushaltes nach Einsparmöglichkeiten auf. Hier kann man über die Methoden und die Massnahmen streiten (wobei dies eher eine innere Debatte der USA ist, die in Deutschland keine Rolle spielt). Aber: die Durchforstung der bestehenden Strukturen nach Effizienzsteigerungsmöglichkeiten macht von Zeit zu Zeit immer Sinn und ist in der Wirtschaft durchaus an der Tagesordnung. Eine solche generelle Durchforstung wäre somit nach fast 70 Jahren des bestätigen Aufbaus staatlicher Ressourcen erforderlich.
Genau dies passiert jedoch nicht, sondern ganz im Gegenteil: die Staatsbürokratie, insbesondere auf Ministerialebene, wird immer mehr ausgebaut. Allein das Kanzleramt, eine Behörde der Strategiesetzung und -steuerung, hat seit 2010 sich nahezu verdoppelt. Die Ampel-Koalition, insbesondere die FDP-geführten Ministerien, hat die Positionen noch einmal deutlich ausgeweitet: Im Justizministerium von Marco Buschmann war ein ganzer Bereich (Verbraucherschutz) weggefallen, ohne dass der Personalkörper reduziert wurde. Das Bundesbildungsministerium hatte von 2021 auf 2022 einen Stellenaufwuchs von rund 20 Prozent. Die Stellen dienten zur Versorgung der „liberalen“ Parteikader, die meist zunächst in aufgepumpten Leitungsabteilungen untergebracht wurden. Verbeamtet bleiben sie auch den nachfolgenden Regierungen vorbehalten und belasten den Staatshaushalt.
Aber auch in den nachgeordneten Behörden sind die Apparate zwischenzeitlich aufgebläht und aufgepumpt. Dennoch dauern Verfahren – vom Asylverfahren bis hin zu Sozialleistungs- oder Bauverfahren – unendlich lange. Auch dies ist eine Folge der überbordenden Bürokratie, da die vielen Stellen auch zu beteiligen sind.
Hinzu kommt: Die Digitalisierung der Verwaltung und die Automatisierung von Verwaltungsvorgängen bleibt bis heute in den Kinderschuhen stecken. Obwohl die Bundesregierung mehr als 3 Milliarden EUR für dies Entwicklung von Digitaldiensten („Einer für Alle“) bereitgestellt (und vollständig verausgabt haben), ist der Onlinezugang zu staatlichen Verwaltungsdiensten bis heute nur eingeschränkt möglich. Die Binnendigitalisierung ist in den meisten Behörden noch nicht einmal angegangen worden und die Möglichkeiten, die beispielsweise AI-Technologien und Automatisierungen in den Entscheidungsabläufen bieten, werden noch nicht einmal gesehen. Während so eine Steuerklärung in Spanien binnen weniger Stunden prozessiert ist, dauert dies in Deutschland über mehrere Monate.
Ein Elon Musk und eine DOGE wäre daher auch in Deutschland dringend geboten. Zwar hat die Bundesregierung mit grossem Primporium „Entbürokratisierungsgesetze“ auf den Weg gebracht. Einerseits sind die Einspareffekte in Unternehmen hierdurch nur sehr begrenzt. Andererseits wären die wirklichen Entlastungen bei einer Entbürokratisierung der Bürokratie selbst zu heben – genau der Auftrag, den Musk derzeit in den USA wahrnimmt und der zwingend auch in Deutschland geboten wäre. Der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Länder veröffentlichen in regelmässigen Abständen Untersuchungen, bei denen deutlich wird, wo Effizienzprobleme in den Behörden bestehen. Folgen hat dies nur in einem sehr begrenzten Umfang. Dabei geht es an dieser Stelle nicht um die Leistung der Mitarbeitenden in den Behörden, die insbesondere in den Kommunen häufig ein immenses Pensum leisten und selbst mit ausufernden Prozessen zu kämpfen haben. Sondern es geht um den fehlenden Willen der Politik, die offenliegenden Herausforderungen auch anzugehen.
Und hier kommt es wieder auf die Ursachen an: der Staat dient für alle Parteien je nach Abhängigkeit der Regierungsbeteiligung als Versorgungseinrichtung für die eigenen Parteigänger. Diese Versorgungsmentalität würde im Rahmen einer konsequenten Durchforstung nach Einsparpotentialen auf Jahrzehnte hinweg ausgehebelt und auch deshalb sind Trump (und auch Millei in Argentinien) eine Buhmannschaft der deutschen Politik.
Internationale Besserwisserei ohne Grundsätze
Die deutschen Bundesregierungen haben in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, aus einer strategischen Leitlinie heraus eine operative Politik entwickeln in der Lage sind. Sie treten vielmehr als globaler Lehrmeister auf, dessen Widersprüche jedoch offensichtlich sind und der die Glaubwürdigkeit untergräbt. Am Beispiel des Ukraine- und des Gaza-Krieges lassen sich die fundamentalen Fehler deutscher Aussenpolitik darstellen.
Gemeinsam mit den Nato-Staaten hat eine parteiübergreifende Gemeinschaft in der Ukraine den folgenschwersten Fehler begangen, der die deutsche internationale Politik noch viele Jahre belasten wird:
1. Anstatt auf eine Beendigung des Krieges setzte die Bundesregierung durch die Lieferung von Waffen auf eine immerwährende Verlängerung, die nicht nur eine weitgehende Verwüstung der Ukraine, sondern auch den Tod vieler tausender Menschen zur Folge hatte. Unbestreitbar ist der Aggressor Russland. Die Nato – einschliesslich Deutschland – haben aber sowohl in Bosnien-Herzegowina wie im Kosovo bewiesen, wie man einen solchen Konflikt befriedet: durch das eigene Einschreiten. Dabei sind die angeblichen Befürchtungen, dass Russland dies als Kriegserklärung auffassen würde, schlicht an den Haaren herbeigezogen. Russland hatte bereits die Waffenlieferungen als Kriegserklärung aufgefasst, ohne dass es eine Reaktion gegeben hätte.
Die Schreibtischkriegshelden wie Agnes Strack-Zimmermann oder Anton Hofreiter waren so zwar bereit, Waffen zu liefern. Sie waren aber nicht bereit, die Ukraine robust und nachhaltig zu unterstützen durch Sicherheitsgarantien und die Unterstützung ausgebildeter und bewaffneter Streitkräfte der Nato. Das ukrainische Militär, dies ist die Folge, ist heute ausgestattet mit einem Sammelsurium von unterschiedlichen Waffensystemen, an denen es seine Soldaten mühsam trainieren muss und die dann auch nur für diese Waffensysteme geeignet sind. Eine breit angelegte Kriegsführung ist nicht möglich.
Was diese Schreibtischkriegshelden, die dennoch für die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine eintreten, vergessen ist, dass auch eine Friedensregelung eine robuste Sicherheitsgarantie erforderlich macht. Ihr Handeln ist nicht nur unlogisch und widersprüchlich. Es ist schlicht gefährlich.
2. Die Bundesregierung hat gegen Russland einen Gaskrieg losgetreten, der seinesgleichen sucht. Sicher, die vorherigen Regierungen hatten eine sehr gefährliche Abhängigkeit von Russland hingenommen für billiges Gas – mit Zustimmung aller Parteien. North Stream I und II waren hier gebaut worden, um Gas anzulanden und auch nach Europa zu verteilen.
Die Ampelregierung hat aber in Russland den zweiten energiepolitischen Kardinalfehler begangen, nachdem bereits der Ausstieg aus der Atomenergie ein Preistreiber war. Die Begründung: mit einem Diktator und Menschenverachter Putin mache man keine Geschäfte. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder wurde bereits seit vielen Jahren deshalb gemobbt. Was war die Folge: Habeck und die halbe Bundesregierung pilgern nach Qatar, wo noch ein halbes Jahr vorher die Regierung wegen der Verletzung von Menschenrechte gescholten wurde und sogar den Abbruch der Fussballweltmeisterschaften gefordert. Doppelzüngigkeit war hier nur ein Wort was gefallen ist.
Das eigentliche Problem in dieser Politik war jedoch, dass hier nicht nur binnen weniger Stunden ein ganzer Energiezweig kaputt gemacht wurde und der Ukraine für die mutwillige Zerstörung der Ostsee-Pipelines noch gefeiert wurde. Ohne Vorbereitung drohte aufgrund mutwilligem Aktionismus eine Energiekrise in einem hochindustrialisierten Land, der nur durch immense finanzielle Mittel aus dem Staatshaushalt – finanziert aus Schulden – finanziert werden konnte. Obwohl die Energieaussenpolitik eine zentrale Priorität spielen sollte, fehlen der Bundesregierung und allen Parteien hierfür eine strategische Konzeption, wie diese ausgestaltet werden kann.
3. Die Bundespolitik ist in diesem Punkt hochgradig widersprüchlich und verspielt Vertrauen, welches Deutschland einmal hatte, weil es differenziert und überlegt – und noch dazu ohne historische Belastungen – in den Weltregionen aufgetreten ist. Am deutlichsten zeigt sich der Vertrauensverlust im Mittleren Osten. Palästina, Libanon, Ägypten oder Jordanien – und auch darüber hinaus – hatten einmal Vertrauen in Deutschland und nahmen das Land als Partner war, der nicht nur sehr einseitig Israel unabhängig von der dortigen Politik willfährig das Wort redete. Dass Angela Merkel die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsräson erklärt hatte, war in diesem Sinne kein Problem und dies lag auch daran, dass Israel zwischenzeitlich ein durchaus akzeptierter und gewollter Staat in der Region war. Insbesondere die Siedlungspolitik sorgte für Unmut, nicht mehr die Existenz des Staates an sich.
Genau hier setzte zunehmend die Kritik an: Während Russland für die Annexion der Krim mit Sanktionen und dem Ausschluss aus dem G8-Kreis belegt wurde, blieb die Siedlungspolitik der israelischen Regierung – die einer Annexion durchaus gleich kommt – folgenlos. Im Gegenteil, Kritik an der Politik der israelischen Regierung wurde als antisemitisch verdammt. Auch nach dem Überfall der Hamas vom 7.Oktober 2023 wurde sehr einseitig zwar die Freilassung der Geiseln gefordert, aber die gleichzeitig stattfindende Verwüstung des Gaza-Streifens und seine Verwandlung in ein unbewohntes Eiland erfuhr nicht mehr als ein paar nicht sonderlich ernstmeinende Worte. Pro-palästinensische Proteste wurden auch hier sehr pauschal als anti-semitisch disqualifiziert. Die Klage Südafrikas für dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wurde nicht differenziert, sondern auch hier antisemitisch gesehen und die Fahndungsausschreibung von Benjamin Netanjahu durch den Internationalen Strafgerichtshof wurde nicht in ihrer Substanz versucht anzugreifen, sondern man könne sich nicht vorstellen, dass dieser auf deutschem Boden festgenommen werden würde. Die Rechtstreuheit wird sehr offensichtlich dem Opportunitätsgedanken unterworfen, nicht dem Legalitätsprinzip.
4. Deutschland liefert Waffen, hat aber keine Vorstellung über eine Nachkriegsordnung. Die Begründung ist so simple wie dumm: Dies sei Sache der Ukraine. Was aber Baerbock und die anderen Schreibtischkriegshelden offenbar vollkommen missverstehen ist, dass man für eine Nachkriegsordnung nicht Partei sein muss (was man aber längst war), sondern eine Vorstellung benötigt – die dann von der Ukraine und Russland akzeptiert werden kann, Das Trump mit seiner Umkehrung des Angreifers nicht sonderlich klug argumentiert, ist eine Sache. Aber dass er damit indirekt auch herausstellt, dass die Ukraine und ihre Waffenhasardeure selbst den Krieg bewusst verlängert haben – ist eben auch ein Teil der Wahrheit.
Das Beispiel des Russland-Ukraine-Krieges und der sichtbare Zusammenhang zum Krieg im Mittleren Osten zeigt nicht nur die fehlende Strategielosigkeit, sondern auch das Unvermögen zu einer kohärenten Politik. Trotz aller verbaler Ausflüchte fehlt es ihr an Werten und man gibt sich mit Scheinwerten wie einer „Feministischen Aussenpolitik“ ab, die sich nicht mehr als billig bedrucktes Papier, welches mit Feminismus herzlich wenig zu tun hat, zufrieden. Es kommt mehr auf den Schein als auf die Substanz an.
Annaleane Baerbock, die sich selbst als herausragende Völkerrechtlerin aus ihrem einjährigen London-Aufenthalt sieht, gehört mit zu den unfähigsten Ministern der Regierung Scholz und dem absoluten Tiefpunkt in der deutschen Aussenpolitik. Den Höhepunkt ihrer Ministerinnenzeit dürfte sie selbst in dem Konzept zur Feministischen Aussenpolitik sehen – ein Papiertiger, der lediglich für eine Pressekonferenz verpufft war. Die China-Politik, die wesentlich von ihr hätte verantwortet sein sollen, ergoss sich in einem Bashing der Macht der Mitte. Und in Taiwan sah man zwar den Gegenpol und meinte verbal die Rückholansprüche verurteilen zu müssen. Den Mut zu einer Anerkennung der Insel am Rande des Chinesischen Meeres war aber auch Baerbock nicht bereit zu gehen. Ein Konzept und eine Strategie für Deutschlands Rolle in der Welt, dies war für die intellektuell im Tiefflug agierende Aussenministerin nicht drinnen. Auf Twitter hatte deshalb ein Nutzer leichtes Spiel, Baerbock in der Parodie wie ein Unkenruf der Geschichte aussehen zu lassen.
Eine Woche vor der Bundestagswahl hat die deutsche Politik – parteiübergreifend – dann eine Schockstarre ereilt. Der U.S.-Vizepräsident hat einen Tag nach dem U.S.-Verteidigungsminister im Nato-Rat deutlich gemacht, dass die europäischen Staaten nicht mehr im Mittelpunkt der U.S.-Aussenpolitik stehen. Eigentlich war dies seit Bill Clinton bereits klar. Joseph Biden war hier noch einmal in einen veralteten Ansatz zurückgewichen. Die Kritik der U.S.-Regierung ging aber noch deutlich darüber hinaus, denn sie legte den Finger in die klaffende Wunde Europas: die fehlende Fähigkeit, Kritik zu beantworten und mit Veränderungen auf dem Kontinent umzugehen. J.D. Vance machte zurecht deutlich, dass dies wesentlich mehr den Werten und der europäischen Demokratie zuwiderläuft als alle scheinbaren äusseren Bedrohungen. Vance hatte hier den Nerv getroffen und insbesondere die deutsche Politik schäumte vor Wut. Anstatt die Aussagen reflektiert zu betrachten, wurde auch in den Medien von einem transatlantischen Bruch gesprochen. Nicht nur, dass diese Erkenntnis falsch ist. Sie ist auch schlicht lächerlich.
Im Ergebnis lässt sich feststellen: Die deutsche internationale Politik ist nicht nur planlos, sondern ihr fehlt es an einem grundlegenden Wertefundament und an Akteuren, die bereit sind, stringent und visionär zu denken. Das Auswärtige Amt ist durch die fehlende Führungsfähigkeit zu einer Abbruchbude gedankenloser Verwalter verkommen, die ihre Glanzzeiten längst gesehen hat.
Der Umgang mit der AfD
Der Umgang mit der AfD spiegelt sehr eindrücklich wider, worin das politische System krankt: es ist nicht mehr lösungsorientiert, sondern ideologisch aufgeschlagen und vom Kampf um das Recht haben geprägt. Die Geburt und die Grosswerdung der AfD ist nicht aus einer Laune heraus entstanden, sondern das Ergebnis einer verfehlten Debattenkultur des Schwarz/Weiss-Denkens und des Agierens in der politischen Glocke. Prägten in früheren Jahren noch Charakterköpfe wie Joschka Fischer, Guido Westerwelle oder Herbert Wehner das parlamentarische Geschehen, die auch bereit waren, zuzuspitzen und programmatisch versiert in die Debatte zu gehen.
In dieser Struktur, in der Debatten vorallem darin besteht, sich verbal zu beschneiden, zu gendern und durch einen Parcours nicht akzeptierter Worte zu lavieren, fehlt die deutliche Aussprache und verhindert in erheblichem Mass die Lösung von Herausforderungen. Friedrich Merz hat dies vor Kurzem deutlich gemacht:
„Und dafür trägt auch meine Partei eine gehörige Verantwortung. Wenn wir das damals besser gemacht hätten, wäre die AfD 2017 nicht in den Bundestag gekommen. Und sie wäre auch 2021 nicht wieder in den Bundestag gekommen.“[1]
Die Politikverweigerung wurde in der Debatte am 31. Januar 2025 deutlich. Die Union hatte zwei Tage zuvor einen Entschliessungsantrag zur Migrationspolitik eingebracht, dem inhaltlich SPD und Grüne hätten zugestimmt. Aber sie wollten Friedrich Merz vorführen und als unsicheren AfD-Kantonisten diffamieren, und haben sich dem verweigert. Hier zeigt sich, dass selbst bei drängenden Problemen und der Übereinstimmung in den Lösungsansätzen die Politik nicht mehr fähig ist, zusammenzuarbeiten. Die AfD wurde durch solche Haltungsverweigerungen und Machtspiele erst gross und dient zwischenzeitlich als Blitzableiter.
Hier muss man aber in die Ursprünge der Partei zurückgehen. Als die Partei 2013 gegründet wurde, fiel sie durch die EU-kritische Haltung auf: zu hohe Bürokratie, fehlende Transparenz und eine schuldenbasierte Finanzpolitik, die die gemeinsame Währung kaputt macht. Die Kritik an der EU teilten in der ein oder anderen Form alle Parteien, ohne daraus eine Schlussfolgerung für die Ausrichtung der EU zu ziehen. Da die Kritik auch in anderen Ländern bestand, wäre der Prozess für eine Veränderung zwar zäh und mühsam, aber er war nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Die AfD hatte damit einen Punkt getroffen, bei dem die Ausgangsanalyse sich nicht sonderlich unterschied – jedoch die Lösung. Geführt von VWL-Professoren schlugen diese vor, die gemeinsame Während aufzukündigen, die D-Mark wiedereinzuführen und die EU insgesamt einem Effizienzcheck zu unterziehen. Hier setzte sich die AfD von den anderen Parteien zwar deutlich ab, aber die Forderung war weder rechtsradikal noch irgendwie nationalistisch geprägt. Und sie erhielt rasch Zulauf und in Umfragen um die fünf Prozent. Die Reaktion des Berliner Politikbetriebes: Diese Partei muss ausgegrenzt werden, sie ist rechtsradikal und nationalistisch. Sie passte mit ihrem Programm nicht in das Schema einer Politik, die jegliche nationalen Attitüden aufgab – obwohl die Partei sich gegen rechtslastige Mitglieder abzugrenzen versuchte.[2]
Die Berliner Parteien sahen sich bestätigt, nachdem sich die AfD gegen den Willen des Bundesvorstandes radikalisierte und in der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 immer stärker zuwanderungskritische Positionen einnahm. Bernd Lucke und andere eher wirtschaftlich ausgerichtete Funktionäre wurden an den Rand gedrängt und verliessen die Partei.
An diesem Punkt um 2015 hätten die Alt-Parteien ihren Kurs gegenüber der neuen Partei grundlegend überdenken müssen. Denn trotz der Radikalisierung erhielt sie weiter regen Zulauf und zog in immer mehr Landesparlamente ein – zuletzt hatten die Grünen zu Beginn der 1980er Jahre einen solchen Erfolg verzeichnet. Es verstärkte sich jedoch der Reflex, den J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2025 deutlich ansprach: die Ausgrenzung des politischen Gegners. Auf europäischer Ebene traf es die Regierungen in Polen und Ungarn und sowie Giorgia Meloni bis zu ihrer Wahl als italienische Ministerpräsidentin. Und in Deutschland die AfD. Es ging weniger die Angst um vor den internationalen Reaktionen, schliesslich erfolgte das Framing als „Nazi“-Partei durch die Politik selbst. Es ging die Angst vor dem Verlust der eigenen Bedeutung um, den durch Grüne und Linke war der Kuchen bereits jetzt merklich kleiner geworden. Als die AfD schliesslich 2017 in den Bundestag einzog, hatte deren Vorsitzender Alexander Gauland mit dem Ausspruch „Wir werden sie jagen“ nunmehr den Zorn auf sich gezogen und die Möglichkeit, einen relativ unverfänglichen Spruch dazu zu benutzen, die Partei in die radikale Ecke zu stellen. Trotz einer ansonsten relativ schwierigen Gemengelage war eines klar: die AfD wird im Bundestag ausgegrenzt. Einen Vizepräsidentenposten im Parlament erhielt sie bis heute nicht und die Ausschussvorsitzenden werden auch nicht mehr mit AfDlern besetzt. Hier wird eine aktive Ausgrenzungspolitik betrieben, die jede inhaltliche Auseinandersetzung verweigert und abblockt. Durch „Brandmauern“, J.D. Vance hat dies zu Recht deutlich gemacht, wird der Demokratie mehr geschadet, als dass es sie voran bringt. Die letzten Jahre geben Vance Recht: Die AfD ist zur zweitstärksten Kraft in Deutschland aufgestiegen und macht deutlich, dass ein Problem mit der Politikvermittlung besteht.
Die Politik igelt sich in Berlin und den Landeshauptstädten ein einem Cocoon ein und hat jede Koppelung an die Menschen verloren. Gerade dadurch gewinnt die AfD Zuspruch, da sie durch die Ausgrenzung als Underdog wahrgenommen wird, der ausgegrenzt wird – und hier kommt es gar nicht mehr auf die inhaltliche Berechtigung, sondern auf das blosse Bild an. Hinzu kommt die Stigmatisierung als rechtsextrem, teils faschistische oder nationalsozialistische Gruppe. Zunächst ist hierzu anzumerken, dass die wahllose Verwendung des Begriffes „nationalsozialistisch“ der Verharmlosung der Singularität des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 Vorschub leistet. Dies war ein einmaliges historisches Ereignis und die AfD ist weit davon entfernt, Massenexekutionen, Gaskammern oder einen Landraub nach dem Generalplan Ost auch nur anzudenken.
Gerade aber die pauschale Diskussionsverweigerung und die Verweigerung von Antworten auf parlamentarische Anfragen der AfD, die Verweigerung von Vizepräsidenten (teilweise mit der absurden Behauptung des Sparwillens) machen die AfD erst gross. Und die Diskursverweigerung symbolisiert an dieser Stelle mehr die Verweigerung des Diskurses mit dem Wähler und die Lösungsfähigkeit der Politik insgesamt, als dass sie dazu beiträgt, die AfD wieder klein zu machen. Dies wird dann noch absurder, wenn man bedenkt, dass Union, SPD, Grüne und FDP wie selbstverständlich mit der Linken zusammenarbeiten, die am anderen Ende der politischen Skala nicht weniger radikal und staatszersetzend agiert. Es sind somit die etablierten Parteien selbst, die den Aufstieg der AfD (und der Linken) erst ermöglicht haben und ihre Radikalisierung weiter befeuern.
Nicht-Wählen ist eine Option
Die Parteien verbreiten vielfach die Mär, dass Nicht-Wählen die politischen Ränder stärkt. Ich bin im ostdeutschen Landesteil geboren und 1989 auch persönlich auf der Strasse gewesen, um auch für ein freies Wahlrecht zu streiten. Dazu gehörte auch das Recht, seine Stimme nicht abzugeben – gerade in der DDR war dies ein Recht, was mit Konsequenzen für den persönlichen und beruflichen Bereich belegt war. Dort musste ich nie von diesem Recht Gebrauch machen, ich war zu jung. Aber: Nicht zu wählen war auch eine bewusste Entscheidung, dass das politische Angebot keine politischen Angebote bereithält, die eine Auswahl erst ermöglichen.

Dies ist derzeit gegeben: Die politischen Ränder – AfD und Die Linke – sind nicht wählbar. Die AfD ist eine Partei, die intolerant gegenüber anderen Gesellschaften und Lebensentwürfen agiert. Auch wenn in Teilen ihre Migrationspolitik einen richtigen Ansatz verfolgt, so zeigt die Rhetorik, dass es hier in erster Linie darum geht, Menschen aufgrund von äusseren Merkmalen zu kategorisieren und abzugrenzen. Die Linke ist eine Partei von Gestern und will bis heute den Staat des Grundgesetzes überwinden zugunsten der „Diktatur der Arbeiterklasse auflösen. Ein Konzept, welches nicht nur bereits einmal ökonomisch gescheitert ist, sondern welches auch auf der Grundlage basiert, dass es nur eine Sichtweise gibt. Beide Politikansätze sind aus meiner Sicht unwählbar.
SPD und Grüne sind beides Parteien, die einen staatsgläubigen Denkansatz verfolgen. Die Idee des fürsorglichen Staates, der wie ein Grossvater über seine Bürgerinnen und Bürger ein Auge hat und diese auch eher als unmündige Personen wahrnimmt, ist ein Konzept, welches nicht mit meinen Überlegungen des selbstverantwortlichen Menschen übereinstimmt. Beide Parteien versuchen bis in die Sprache hinein Vorgaben des Umgangs zu machen. Hinzu kommt, dass beide Parteien auf eine immer stärkere, notfalls schuldenfinanzierte, Ausweitung der Staatstätigkeiten aus sind. Bundeskanzler Scholz machte dies zuletzt deutlich, in dem er für die Finanzierung der Aufrüstung (unabhängig von der Frage der Notwendigkeit) für eine Aufweichung der Schuldenbremse plädierte anstatt sich auf die Suche nach einer effizienteren Staatsverwaltung und der Möglichkeit, bestehende Ausgaben durch eine bessere Wirkungskontrolle zielgerichteter einzusetzen. Das Verständnis der Egalität – also dem Erfordernis, dass niemand besser gestellt sein soll unabhängig von seiner persönlichen Leistungsbereitschaft – ist ein Konzept, welches zwar zunächst einige fördert (hier aber vorallem die Leistungsunwilligen), langfristig aber zu einer Aushöhlung des Staates und dessen vollkommenem Versagen aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit führt.
Die Union hat seit spätestens 2021 alle kontroversen Positionen abgeräumt und sich stärker an die SPD und deren Politikansatz herangerobbt. Auch wenn sie in Teilen durchaus noch progressive Ansätze verfolgt, hat sie in ihre DANN immer stärker den Ansatz des „Fürsorgestaates“ übernommen, der nicht nur für permanent mehr Ausgaben eintritt, sondern auch zu einem vollkommenen Staatsversagen in wenigen Jahren führen würde. Sie hat ihr Profil nicht nur verwässert, sondern sich aufgeben – Friedrich Merz hat dieses eher noch weiter verstärkt, um in der Partei Akzeptanz zu finden.
Und schliesslich die FDP, für die ich selbst viele Jahre aktiv war, Programme entworfen und Wahlkämpfe gestaltet habe, ist eine Partei, die nur noch eine leere Hülle ist für Egomanen und Lemminge. Die Partei ist eine Christian Lindner-One Man-Show und die Bundestagsfraktion, die eigentlich die besten Köpfe der Partei versammeln sollte, eine Herde ohne eigenes Gewissen und eigenen politischen Gestaltungswillen. Deren Mitglieder sitzen ihre Zeit für die Pension ab, mehr tun sie nicht. Durchaus einmal brillante Köpfe wie Alexander Graf Lambsdorff haben nicht nur die wesentlichen falschen Entscheidungen mitvertreten, sie haben sich auch selber geschleift zugunsten einer weiteren Karriere in der Politik und zu Lasten eines kantigen Profils. Die Partei selbst lebt nicht mehr von lebendigen Diskussionen, sondern verkommt zum Abnickverein des Vorstandes. Die einstmals stolze liberale Partei, deren Ursprünge bis zur Märzrevolution 1847 zurückreichen, hat nicht nur ihre innere Liberalität verloren, sie hat auch ihr Profil komplett selbst aufgegeben und damit ein kohärentes Politikverständnis. Zugunsten der Macht hat man 2021 die Aufnahme von 60 Milliarden EUR an Krediten unterstützt und den Wähler schlicht angelogen.
Das Ausweichen auf die kleineren Parteien wie beispielsweise VOLT ist nur ein schlechter Versuch. Im Ergebnis wäre es eine Nicht-Wahl, aber mit dem scheinbar beruhigenden Gefühl, die angebliche Bürgerpflicht doch formal zu erfüllen. Aber was ist dies für ein Zeichen. Die bewusste Entscheidung, das politische Angebot aufgrund der fehlenden Überzeugung abzulehnen ist hier die ehrlichere Variante und würde vielleicht auch dazu beitragen, dass die Parteien ihr Angebot und ihr Auftreten grundsätzlich überdenken. Denn die Erinnerung an die angebliche Bürgerpflicht ist letztlich nur dazu geeignet, wieder den etablierten Parteien über ihr eigenes Unvermögen hinwegzuhelfen, will man nicht seine Stimme dann einer wohl eher chancenfreien Partei geben.